Fastnacht
Solange ich denken kann, gibt es in Herbstein den Rosenmontagsumzug mit Bajazz und dem Springerzug. In den umliegenden Dörfern, die alle mehrheitlich protestantisch waren, spielte dieser Tag für die meisten keine so große Rolle. Aber am Dienstag feierte man hier die Fastnacht.
Eine uralte Traditionsfigur war der Erbsenstrohbär, welche auch in anderen Fastnachtsregionen zu finden ist. Er war das Sinnbild des Winters, den man symbolisch in Ketten legte und der von nun an dem Frühling Platz machen musste.
In den Herbstmonaten sammelte man bereits Erbsenstroh, mit dem man am Morgen des Fastnachtsdienstages begann, einen der älteren Jugendlichen damit einzuwickeln. In der Regel geschah das in der Scheune eines Bauern.
Nachmittags trafen sich dort Jungen und Mädchen in bunter Verkleidung, als Harlekin, als bayrischer Seppel, als Mädchen in Holländertracht oder als Schornsteinfeger. Der Fantasie für die Kostümierung war keine Grenze gesetzt. Später kamen auch Cowboy und Indianer dazu. Was aber nicht fehlen durfte war die traditionelle Klatsche, die jedes Kind dabeihatte. Sie war aus Pappe gefertigt und zusammengefaltet, einer Ziehharmonika ähnlich. Mit dem Lärm, der beim Schagen entstand, glaubte man Dämonen und böse Geister vertreiben zu können.
Dem Bärenführer, mit Strohbär an der Kette, folgten die Kinder zu ihrem Fastnachtsumzug durch das Dorf.
Sie sammelten Eier, Wurst und Speck, alles Lebensmittel, die in der Landwirtschaft immer vorhanden waren und gerne an die kleinen Narren abgegeben wurden.
Erbsenstrohbär
Meistens war noch ein Musikant dabei, der auf seiner Ziehharmonika für gute Laune sorgte und gesanglich von den Teilnehmenden unterstützt wurde. Eine der bekanntesten Weisen aus früherer Zeit war ein altes Karnevalslied: „Ritz am Baa, Ritz am Baa mouje fängt die Fastnacht aa“.
Auf einem mitgeführten Handwagen verstaute man die erhaltenen Gaben. Am Ende des Umzugs teilte man alles brüderlich in zwei Teile.
Gefeiert wurde in zwei Gruppen. Die Kleinen
(1. bis 4. Schuljahr) und die Großen (5. bis 8.
Schuljahr) bei den Eltern eines der Kinder. In der Wohnstube waren die Möbel bereits zur Seite geräumt. So entstand genügend Raum für die Feiernasen.
Während die Mutter in der Küche das Essen zubereitete, beschäftigte sich der Vater mit der ausgelassenen Schar. Man vergnügte sich mit altbekannten lustigen Spielen, die von einer Generation zur anderen übernommen wurden. Zwischendurch stimmte man auch mal ein vertrautes Lied an. Gemeinsam gesungen wurde zu der Zeit noch viel.
Rühreier mit Speck waren mittler weile fertig. Der Tisch wurde gedeckt und alle versammelten sich zum gemeinsamen Festessen.
Nachdem es draußen dämmrig geworden war machten sich alle auf den Nachhauseweg.