Gesindebuch
Als Gesinde bezeichnete man Personen, die als Haus- und Hofbedienstete ihren Herrschaften dienten. Sie waren meist unverheiratet und erhielten Lohn, teils auch in Naturalien und eine Unterkunft. Die Beschäftigten waren bis 1919 aufgrund der Gesindeordnung von 1844 verpflichtet, Gesindedienstbücher zu führen. Wenn sie entlassen wurden oder die Arbeitsstelle wechselten, war der Dienstherr verpflichtet, dem Gesinde ein Arbeitszeugnis auszustellen. Die Einträge musste die zuständige Polizeibehörde beglaubigen.
Gesindebuch von Anna Maria Schaub (meiner Großmutter)
Beschäftigung fanden sie im Hausdienst und in der Landwirtschaft als Knechte oder Mägde. Sie standen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Arbeitgeber.
Die Anforderungen waren hoch: Kochen, Aufwartung, Wäschepflege, Putzen und vieles andere gehörten zu ihren Aufgaben. Die Arbeitszeit war nicht geregelt und die Freizeit beschränkte sich oft auf jeden zweiten Sonntagnachmittag. Die rechtliche Stellung der Dienstboten war schwach
Erwartet wurde von ihnen: Fleiß, Treue, Gehorsam, sittliches Betragen und Ehrlichkeit
Meine Großmutter Anna wurde 1886 als Tochter des Maurermeisters Andreas Schaub geboren. Sie besuchte die Volksschule in Rixfeld, wurde im April 1901 konfirmiert und trat am 27. Dezember 1901 ihre Dienstzeit als Magd bei Heinrich Weiß an. Dieser war Landwirt und betrieb eine Gastwirtschaft mit Tanzsaal.
Im Dienstzeugnis ist vermerkt: Inhaberin dieses (Gesindebuchs, red. Anmerkung) hat vier Jahre als Magd bei mir gedient und sich während dieser Zeit gut betragen.
Rixfeld, den 28. Dezember 1905
Heinrich Weiß
(Beglaubigt von der Großherzogl. Bürgermeisterei, Rahn)
In ihrem Tagebuch hielt sie fest: „Mein Jahresverdienst steigerte sich von 115,00 Mark im ersten Jahr auf 175,00 Mark im vierten Jahr. Hinzu kamen 10 Ellen Leinwand (für Röcke), 15 Ellen Tuch und 2 Pfund Wolle jährlich. Ab dem 3. Jahr gab es anstatt 15 dann 20 Ellen Tuch“
1905 wechselte sie ihre Arbeitsstelle. Bis zu ihrer Heirat arbeitete sie bei Heinrich Rahn, Landwirt und Bürgermeister.
Dienst-Zeugnis:
Die Anna Maria Schaub hat seit dem 27. Dez 1905 bis dahin 1910 bei mir gedient und sich während dieser 5-jährigen Zeit zu jeder Zeit „sehr gut“ betragen.
In den ersten beiden Jahren war ihr Lohn 185,00 und 195,00 Mark, die letzten drei Jahre gab es 200,00 Mark. Dazu die üblichen Naturalien und manchmal noch ein Geschenk.
Großmutter schreibt in ihren Notizen: „In den neun Jahren meiner Dienstzeit habe ich nicht einen Tag wegen Krankheit gefehlt. Die Landwirtschaft hat mir immer viel Spaß gemacht.“
Nachdem sie neun Jahre bei den Bauern gedient hatte, konnte sie das Erlernte in ihrem kleinen Betrieb gut umsetzen.
Nach ihrer Hochzeit 1911 hielten sich die Großeltern meist zwei Kühe
Wilhelm und Anna, die mit dem Vieh von der Weide kommt (Das Bild entstand Ende der 30er Jahre)
und oft noch ein Rind. Die Tiere wurden angelernt den Ackerwagen zu ziehen. Vor den Pflug gespannt konnten Opa und Oma ihr Feld selbst bestellen. Gleichzeitig sorgte die Viehzucht für Nahrung. Aus Milch wurden Butter und Käse selbst hergestellt.
Mit Getreide und Kartoffeln fütterten sich die beiden Schweine, die zum Winter geschlachtet wurden. Großvater hat immer Hasen gehalten, die den sonntäglichen Speiseplan der Familie bereicherten. Die Hühner lieferten die Eier, die im Haushalt gebraucht wurden. Ab und zu ein Suppenhuhn war auch nicht zu verachten.
Außer dem Land beim Haus gehörten zum Eigentum der Schafacker mit Schafwiese, der Heiligenacker mit Heiligenwiese und der Krautgarten (heutige Gartenstraße).