Unser Dorf Rixfeld
 

Die Kartoffelernte

Im zeitigen Frühjahr begann man mit den Vorbereitungen. Aus den Vorräten der letzten Ernte sortierte man etwas kleinere, schon gut gekeimte Exemplare aus, um sie zur Weiterpflanzung zu benutzen. Größere Kartoffel halbierte man so, dass in jeder Hälfte genügend „Augen“, sprich Keime vorhandenwaren.
Etwa im Mai wurden Kartoffeln gesteckt. Mit dem Pflug, von unseren Kühen gezogen, legten wir in gewissen Abständen die Knollen in die Erde. Wenn die ersten grünen Spitzen hervorkamen, wurden sie „abgeschleift“. 

 

Nachdem sie etwas größer geworden waren, häufelte man sie mit einem speziellen Pflug an. Solange das Kartoffelkraut noch nicht geschlossen war, mussten sie von Zeit zu Zeit gehackt werden, um das Unkraut nicht zu hochkommen zu lassen.
In manchen Jahren war die Plage mit Kartoffelkäfer groß. Oft waren die Unterseiten der Sträucher übersät mit den roten Larven. In der heimischen Landwirtschaft setzte man keine Chemie ein. So blieb keine andere Möglichkeit als die Schädlinge abzulesen, um eine weitere Entwicklung zum Käfer zu unterbinden. Überwiegend war das eine Beschäftigung für uns Kinder.
                                                                                                                                  Kartoffelausmachen am Heiligenacker, in der Mitte meine Eltern

War das Kartoffelkraut verwelkt oder gar abgestorben begann die Ernte. Meist Ende September Anfang Oktober. Dabei brauchte man viele Hände. Man half sich gegenseitig. In früheren Jahren wurden die Kartoffeln noch mit dem „Koarscht“ ausgemacht,
Kartoffelhacke, bei uns „Koarscht“ genannt
später ausgeackert. Mit dem „Koarscht“ musste danach nochmals alles durchgehackt und die in der Erde verbliebenen Kartoffeln aufgenommen werden.
Die Mahlzeiten nahm man auf dem Acker ein. In einem Rund breitet man Kartoffelsäcke auf dem Acker aus, wo sich die Helfer stärken und gleichzeitig den Rücken ausruhen konnten.
In den letzten Jahren unserer Landwirtschaft kam der Kartoffelroder zum Einsatz.


Reihe für Reihe wurde ausgefahren. Die Kartoffeln wurden in Weidenkörbe, die Vater in den Wintermonaten selbst geflochten hatte, aufgelesen und dabei gleichzeitig sortiert; die Mittleren bis Großen zum Verzehr, die Kleinen oder beschädigten als Futterkartoffeln. War ein Korb voll ging man zu zweit zu einem der vorbereiteten Säcke und leerte ihn aus. Dies geschah nach festgelegten Abläufen. Der Sack wurde mit seiner Öffnung von Beiden an den Korb gehalten. Der rechte Träger hielt mit der rechten Hand den Sack offen, während der andere ihn ausleerte.
Am Ende band man die Säcke zu. Bei den sogenannten „Saukartoffeln“ befestigte man ein Stück Strauch mit, um sie beim Ausleeren gleich erkennen zu können.
Die Kartoffelsäcke wurden zu zweit auf den Wagen geladen, den zwei unserer Kühe nach Hause zogen. Dort wurden die Kühe ausgeschirrt und in den Stall gebracht, wo  ihr langersehntes Futter und Wasser auf sie wartete.
Durch ein Loch im Boden der Wohnung schüttete man die Ernte direkt in den Keller. Bei uns war das in der Schlafkammer der Großeltern. Von dem Dreck und dem Staub, der dabei entstand, will ich hier gar nicht reden.
Später hat Vater von außen ein Loch durch die Bruchsteinmauer gestemmt und einen Schacht gemauert, durch den man die Kartoffeln und auch die „Runkeln“ (Rüben) problemlos in den Keller transportieren konnte.
Die Vorräte für den nächsten Winter waren gesichert.



Das Kartoffelfeuer

Unsere beiden größeren Äcker, Heiligen- und Schafacker, lagen an der heutigen Bundesstraße 275, die von alten Bäumen gesäumt wurde. Am Straßenrand fand man im Herbst viele herabgefallene dürre Äste, die von uns Kindern gesammelt und zum Acker getragen wurden, um ein großes Kartoffelfeuer zu entfachen.
Wenn der Holzhaufen zur heißen Glut herabgebrannt war, legten wir frischgeerntete Kartoffeln hinein. Nach einer gewissen Zeit konnten mit Hilfe von Holzstöcken die gegarten Leckerbissen zum Abkühlen herausgerollt werden. Von einer in die andere Hand wechselnd und unter pusten ließ man sie abkühlen und verzehrte sie mit Hochgenuss, selbst wenn sie manchmal etwas dunkel geworden waren. Schon Tage vor dem Kartoffelausmachen freuten wir Kinder uns auf diese alte Sitte.